„Wenn man sehenden Auges alt wird, ist es nicht schwer“
ist ein Zitat des Schauspielers Klaus Maria Brandauer, der im Jahr 2004 60 Jahre alt wurde. Sehenden Auges? Bei der Vorbereitung auf einen Vortrag zu diesem Thema fiel mir ein Buch in die Hände, welches ich unbedingt an dieser Stelle empfehlen will, empfehlen muss: „Die Jahre sind mein Lebensglück – Schriftsteller über das Alter“, herausgegeben von Petra Müller und Rainer Wieland, erschienen im Verlag von dem Knesebeck GmbH & Co. Verlags KG, München 2008. Siebzehn berühmte Schriftsteller erzählen über ihr Alter, blicken zurück und lassen uns teilhaben an ihrer Neugier, ihrer Weisheit, ihrem Humor und dem Scharfsinn ihrer Einsichten zum Thema Alter.
Elias Canetti: „Es mag viele Nachteile haben, alt zu sein. Es hat unvergleichlich größere Vorteile.“
Mir spricht Woody Allan aus der Seele: „Ich will nicht im Herzen meiner Landsleute weiterleben, ich will in meinem Apartment weiterleben.“ Allen gemeinsam ist die Neugier, die Lust auf das Leben, die selbst im hohen Alter der Motor für jeden gelebten Tag ist. Dieses Annehmen und gleichzeitig Gestalten des Lebensabschnittes, der unser Dasein beschließt, berührt und vermittelt auch Gefühl wie Demut und auch Dankbarkeit für Erlebtes. „Ich trage alle meine früheren Leben in mir“ sagt uns George Tabori, der große, alte, kluge und schöne Mann des Theaters kurz vor seinem Tod. Er sass in seinem Regiestuhl fast bis zu seinem endgültigen Abschied von der Welt.
In Gesprächen und Interviews mit alten Menschen begegnet mir immer wieder als ein wesentliches Merkmal das wache Interesse am Leben, auch bei Hochbetagten.
Eine Studie zur Generation „50 plus“, die am 09.10.08 von dem Sozialwissenschaftler Dieter Otten vorgestellt wurde, bescheinigt dieser Generation die Eigenschaften:
körperlich und geistig fit, sexuell aktiv, mehrheitlich links, verfassungspatriotisch, weltoffen und hoch vital. Diese Gruppe der Älteren, die mit 22 Mio in naher Zukunft den größten Teil der Gesellschaft bilden, wird diese vor völlig neue Herausforderungen stellen.
Die Studie ergab, dass rund 60 % der Befragten nach dem 65. Lebensjahr gern weiterarbeiten würden; die Hälfte davon in ihrem angestammten Beruf, die anderen würden sogar etwas Neues anfangen. Das spricht für einen Wertewandel in dieser Generation. Eigene Ressourcen und Kompetenzen zu entdecken, statt die Widrigkeiten des Alters zu kultivieren, ist die neue Sicht auf diesen Lebensabschnitt. Dazu fand ich interessante Gedanken bei der italienischen Philosphinnengemeinschaft Diotima, die ein Modell entwickelte, das sie „Umgang mit dem Negativen“ nannte. Sie sagen, der Umgang mit dem Negativen ist wie ein Spiel, bei dem man immer nur den nächsten Zug überschauen kann. Wenn also das Alter einen Zug macht, dann kann ich mir überlegen, was ich tun kann. Ein Schritt zur Seite eröffnet mir neue Möglichkeiten für neue Spielzüge. Zug um Zug -das Spiel des Lebens. So z. B.:Ich versuche nicht, meine Vergesslichkeit zu vertuschen oder ständig so zu tun, als sei ich mit 70 noch so fit wie mit 30, sondern suche nach Wegen.
Ich male mir nicht aus, wie schrecklich die nächsten Spielzüge meines Gegners sein werden, sondern konzentriere mich auf die momentane Herausforderung.
Ich hadere nicht mit meinem Schicksal.
Ich beginne etwas Neues, z.B. lerne eine Sprache und knüpfe Kontakte.
Statt ständig dem Unvermeidlichen Widerstand entgegen zu setzen, freunde ich mich damit an. Es ist nicht wichtig zu gewinnen, aber wichtig, im Spiel zu bleiben.